Produktivitätswachstum in Deutschland
Die Arbeitsproduktivität wächst in der deutschen Industrie und den industrienahen Dienstleistungen langsamer als noch vor der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise in den Jahren 2008/2009. Was aber steckt dahinter? Für den Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. ist die IW Consult GmbH dieser Frage nachgegangen. Die Ursachenanalyse erfolgte auf drei Ebenen: Gesamtwirtschaft, Branchen/Größenklassen sowie Unternehmen. Dazu hat die IW Consult GmbH eigens im IW-Zukunftspanel ein Befragungskonzept entwickelt, das 1.250 Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleister beantwortet haben.
Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zeigt sich, dass die nachlassende Dynamik der Arbeitsproduktivität in hohem Maße auf die höhere Beschäftigungsdynamik zurückgeht. Zugleich hat nach der Krise die Wachstumsdynamik der Wertschöpfung nachgelassen, nicht zuletzt aufgrund der nachlassenden Dynamik der Ausfuhren und des weltweiten Warenexportvolumens.
Auf Branchen- und Größenklassenebene finden sich Unterschiede vor allem beim Beschäftigungsaufbau nach der Größenklasse: Im Verarbeitenden Gewerbe sind es in erster Linie die großen Unternehmen ab 250 Beschäftigten, die Beschäftigung aufgebaut haben. Auf Branchenebene sind die Unterschiede dagegen nicht derart stark ausgeprägt.
Für die einzelwirtschaftliche Ebene wurde für diese Studie im IW-Zukunftspanel eine Unternehmensbefragung durchgeführt, um Näheres über die Hintergründe zu erfahren. Es zeigt sich, dass die Arbeitsproduktivität heute in mehr Unternehmen wächst als noch vor der Krise. Was nachgelassen hat, ist die Wachstumsgeschwindigkeit. Auf einzelwirtschaftlicher Ebene zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der Umsatzentwicklung und der Entwicklung der Wachstumsgeschwindigkeit der Arbeitsproduktivität. Unternehmen mit langsameren Umsatzwachstum zählen signifikant häufiger zu den Unternehmen mit einer nachlassenden Wachstumsgeschwindigkeit der Arbeitsproduktivität. Diese waren zudem häufiger Exportschwankungen und Auftragsrückgängen ausgesetzt als Unternehmen mit schneller wachsender Arbeitsproduktivität. Hinter der nachlassenden Wachstumsgeschwindigkeit des Umsatzes steht in erster Linie die Absatzmenge des Kernprodukts. Gleichzeitig haben nicht wenige Unternehmen ihr Personal schneller erhöht als den Umsatz, was in diesen Unternehmen zur geringeren Dynamik im Arbeitsproduktivitätswachstum beigetragen hat. Dahinter steht ein Personalaufbau, um die Digitalisierung zu meistern. Zudem erbringen die Industrieunternehmen immer mehr Dienstleistungstätigkeiten – seien es Forschung und Entwicklung, produktnahe Dienstleistungen oder begleitende Tätigkeiten für Auslandsproduktionsstandorte, was auf das Produktivitätswachstum drückt. Gleichzeitig haben die Unternehmen trotz Auftragsrückgängen ihr Personal nicht angepasst. Sie horten Personal, um für die zu erwartenden Personalengpässen gerüstet zu sein.
Thorsten Lang / Michael Grömling / Galina Kolev